Ziegenlämmer-ABC

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Öfters erreichen uns Anfragen zur Ziegenaufzucht. Wir haben uns deshalb entschlossen, diesem Themenbereich ein spezielles Kapitel zu widmen. Dieses wird entsprechend den Anfragen laufend ergänzt. Bitte beachten Sie jedoch, dass die Ausführungen hier nur punktuell ausfallen können. Weiterführende Informationen zur Ziegenaufzucht finden Sie bei den Links am Ende dieses Beitrages und natürlich in allen guten Fachbüchern. Wir empfehlen Anfängerinnen und Anfängern eine sorgfältige Vorbereitung.

 

Absetzung

Bei natürlicher Aufzucht werden die Lämmer in der Regel zwischen der 10. und 12. Woche von ihren Müttern getrennt. Das Absetzen ist sowohl für das Lamm wie seine Ziegenmutter jeweils ein tiefer Einschnitt. Damit sie diesen rascher verkraften, sollten die Lämmer ausser Sicht- und Hörweite der Mütter gebracht werden. Den Lämmern ist zudem von Beginn weg ein genügender Bewegungs- und Erkundungsraum zu verschaffen, der auch Klettermöglichkeiten enthält. Die Entwöhnung kann in schwierigen Fällen mehrere Wochen dauern, in denen die Lämmer von den Müttern getrennt gehalten werden. Damit der Übergang nach dem Absetzen möglichst reibungslos klappt, sollte den Lämmern bereits nach den ersten Lebenstagen Heu und Wasser angeboten werden.
Werden die Jungziegen bei den Müttern gelassen, saugen sie in der Regel bis zu fünf Monate. In den ersten Wochen erfolgt dies stündlich. Danach sorgen die Ziegenmütter für die Entwöhnung, indem sie den Nachwuchs - nach und nach - immer weniger zulassen und sich letztlich selber trocken stellen.


Enthornung

Das Enthornen sollte möglichst frühzeitig geschehen, sobald die Hornansätze zu spüren sind. Der Eingriff darf nur nach einer Betäubung erfolgen. Optimalerweise wird eine Vollnarkose durchgeführt. Die Verwendung elastischer Ringen und ätzenden Substanzen ist ausdrücklich verboten. Wir empfehlen, einen Tierarzt beizuziehen. In den ersten drei Lebenswochen der Ziege dürfen allerdings auch Tierhalter den Eingriff vornehmen, sofern sie den entsprechenden Sachkundenachweis erworben haben.
Es scheiden sich die Geister darüber, ob die Enthornung für die Ruhe im Stall und zur Vermeidung von Verletzungen nötig ist. Neuere Studien zeigen, dass den behornten Tieren bei der Stallausgestaltung genügend Rechnung getragen werden kann, sodass dieser sehr schmerzhafte Eingriff nicht erforderlich ist. Eine Mischung von gehörnten und ungehörnten Ziegen sollte aber vermieden werden.


Geburtsvorbereitung

Die Zeit der Geburt und der ersten Lebensstunden ist die für die künftige Entwicklung von besonderer Bedeutung. Die hochträchtigen Muttertiere sind vor Stresssituationen zu schützen. Es wird deshalb eine Trennung von der Herde empfohlen, jedoch einen Beibehalt der gewohnten Umgebung. Im Laufstall sollten zudem Ablammbuchten eingerichtet werden, in welche die Mutterziegen gebracht werden können, sobald Anzeichen für die anstehende Geburt erkennbar sind. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Ziegen beim Lammen nicht gestört werden.
Der Stall ist in der Geburtszeit auszumisten oder zumindest neu einzustreuen. Dadurch kann die Gefahr von Infektionen vermindert werden.


Gewichtszunahme

Die Gewichtszunahme gibt wichtige Hinweise zur Gesundheit und zum Entwicklungsstand der heranwachsenden Ziege. Neugeborene haben ein Gewicht von 4.5 kg bei Einlingen, 4 kg bei Zwillingen und 3.5 kg bei Drillingen. Mit dreissig Tagen beträgt das Gewicht rund 10 kg. Mit vier Monaten liegt das Gewicht über 14 kg und nach sieben Monaten bei mindestens 33 kg bzw. rund 55% des Endgewichts. Die Gewichtszunahme ist in den ersten dreissig Tagen mit 180-200 g pro Tag am stärksten. Zwischen dem zweiten und sechsten Monat liegt das Wachstum zwischen 110 und 150 g pro Tag und zwischen dem siebten und zwölften Monat zwischen 50 und 100 g. Bei sämtlichen Angaben handelt es sich um Durchschnittswerte, die aber als Richtwerte hilfreich sein können (Quelle der Gewichtangaben: Zeitschrift La Chèvre, No. 302).


Hygiene

Hygiene ist im ganzen Lämmerstall von Bedeutung. Insbesondere die Milch bietet bei der künstlichen Aufzucht ein ausgezeichnetes Wachstumsmilieu für Bakterien. Die Gefahr der Übertragung auf die Lämmer ist entsprechend gross. Milch oder Milchaustauscher sollten nicht länger als eine Stunde im Stall stehen bleiben und die übriggebliebene Milch nicht mehr verwendet werden. Die Tränkebehälter sind zudem nach jedem Gebrauch gründlich zu reinigen.


Kolostrum

Die erste Milch des Muttertiers wird als Kolostralmilch oder Biestmilch bezeichnet. Die Milch beinhaltet zahlreiche Abwehrstoffe gegen Krankheiten und Infektionen und ist deshalb lebenswichtig für das Neugeborene. Sie fördert zudem die Darmtätigkeit. Biestmilch ist dicker und gelber als die normale Milch. Das Neugeborene sollte bereits in der ersten halben Stunde nach der Geburt mit einer ersten Portion Kolostrum versorgt werden.
Bei künstlicher Aufzucht ist die Kolostralmilch in mehreren kleinen Portionen zu verabreichen, damit der Labmagen nicht überlastet wird. Die Tränketemperatur liegt bei 40°. Wenn keine Kolostralmilch von Ziegen vorhanden ist, kann auch solche von Kühen verwendet werden, wobei ein Gemisch von mehreren Kühen bzw. von älteren Kühen als ideal gilt. Wer sich für Notfälle rüsten will, sollte Kolostralmilch einfrieren, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können. Die Biestmilch wird in Joghurtbecher à 150ml abgefüllt und einem verschlossenen Gefrierbeutel (zum Schutz vor Gefrierbrand) eingefroren. Das Auftauen erfolgt im Wasserbad mit einer Temperatur von maximal 40°. Zur Not kann auch Kolostralmilch-Ersatz gefüttert werden. Sie erhalten ihn von Ihrem Tierarzt.


Krankheiten

Lämmer-Krankheiten haben Ihren Ursprung oftmals in Haltungsfehlern. Nicht selten anzutreffen sind Überbelegungen. Wenn in der Gruppenhaltung nicht mindestens 0.5 m2pro Gitzi zur Verfügung stehen, resultieren daraus Bewegungsmangel, Verschmutzung und ein ungünstiges Stallklima. Tiere in überbelegten Ställen verzeichnen deshalb eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit, z.B. für Durchfall, Lungenentzündungen, Gitzilähme, Atemwegserkrankungen oder Breinierenkrankheit.
Generell ist auf einen sauberen Stall (regelmässig neu einstreuen!), eine genügende Durchlüftung (aber ohne Durchzug!) und eine angemessene Luftfeuchtigkeit zu achten.
Leider ebenfalls zu finden sind düstere Gitzi-Ställe mit zu wenig Licht. Dies führt zu verminderter Bewegung der Tiere und einem gestörten Verhalten. Auch hier sind die Folgen eine geschwächte Abwehr und damit eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit.
Auch die unsachgemäss Verabreichung der Milch verursacht Krankeiten: zu wenig Kolostrum (erhöhte Anfälligkeit auf Infektionskrankheiten), zu kalte, zu viel oder verschmutzte Milch (z.B. Durchfall oder Breinierenkrankheit).


Künstliche Aufzucht

In der ersten Woche sollten die Ziege nach Möglichkeit Muttermilch erhalten, wobei vor allem das Kollostrum in den ersten drei Tagen von grosser Bedeutung ist. Danach kann bei künstlicher Fütterung auf Kuhmilch bzw. Milchaustauscher gewechselt werden.
Die Fütterung erfolgt in der ersten Woche 3x täglich. Danach genügt auch eine zweimalige Fütterung. Die Menge beträgt rund 2 Liter pro Tag, wobei sie schrittweise gesteigert werden sollte. Manche Züchter hören mit der Milchabgabe bereits ab der sechsten Woche schrittweise auf, andere führen die Milchabgabe in reduzierter Form bis maximal zur 12. Woche weiter.
Die Milch sollte ein Temperatur zwischen 38 und 40° haben. Andernfalls können Verdauungsstörungen auftreten. Neben der Milch ist den Lämmern von Beginn weg auch Wasser und gutes Heu anzubieten. In der Regel beginnen die Lämmer ab der zweiten Woche feste Nahrung zu sich zu nehmen.


Lämmerbox

Für Lämmer, die bei ihren Müttern in der Herde bleiben, ist im Stall eine Lämmerbox mit Lämmerschlupf einzurichten. Dort können sich die Jungtiere bei Bedarf zurückziehen, und es kann ihnen an diesem Ort auch spezielles Futter verabreicht werden. Bei geringer Lämmerzahl genügt bereits eine grosse Holzkiste, die zu diesem Zweck umfunktioniert wird. Wichtig ist, dass die Box mit Stroh ausgelegt und stets sauber und trocken gehalten wird.


Milchaustauscher

Milchaustauscher wird bei der künstlichen Aufzucht als Milchersatz verwendet. Es handelt sich um eine Pulvermischung aus Magermilch, Molke, pflanzliche und tierischen Fetten, Spurenelementen usw. Nach Möglichkeit sollte erst im Alter von einer Woche mit der Umstellung begonnen werden. Teilweise wird empfohlen, zur besseren Entwicklung auch danach noch eine kleine Menge Ziegenmilch zu verabreichen. Für den Milchaustauscher sprechen lediglich Kostengründe. Ansonsten sind Ziegenmilch oder allenfalls auch Kuhmilch unproblematischer und deshalb - falls vorhanden - dem Milchaustauscher vorzuziehen.
Bei der Anwendung von Milchpulver ist insbesondere auf die richtige Dosierung zu achten, um Durchfall und Blähungen zu vermeiden. Die Angaben finden sich in den Gebrauchsanweisungen, die sorgfältig gelesen und interpretiert werden müssen, z.B. „120 g Pulver pro Liter Wasser“ (=120g Pulver + 1000g Wasser) oder „120g Pulver pro Liter Mischung“ (=120g Pulver + 880g Wasser).


Milchverweigerung

Nach der Geburt ist es nicht selten, dass sich ein Pfropfen in der Zitze bildet, sodass sich die Milch nicht einschiessen kann. Das Euter ist in diesen Fällen leicht zu massieren und kurz anzumelken. Zur Sicherstellung einer guten Milchleistung ist besonders bei Mutterziegen auch auf eine gute Fütterung und eine genügende Tränkung zu achten.
Wenn die Ziegenmutter hingegen ihre (vorhandene) Milch einfach nicht hergeben will und das Lamm ablehnt, gibt es zwei Varianten: Zum einen kann man selber Hand anlegen und die Mutter mit Kraft "zu ihrem Glück" zwingen, indem sie festgehalten und das das Lamm zugeführt wird. Häufig kommt dann innert einiger Tage die Akzeptanz . Zum anderen ist natürlich stets die künstliche Aufzucht möglich.


Temperaturschwankungen

Generell sollten grosse Temperaturschwankungen bei der Lämmeraufzucht vermieden werden (kaltes Wasser/warme Milch), ebenso wie Zugluft und feuchte Einstreu. Der Einsatz von Wärmelampen ist - je nach Stalltemperatur - in der ersten Lebenswoche sinnvoll, solange die Lämmer sich noch nicht so stark bewegen. Später können die Temperaturunterschiede in- und ausserhalb des Wärmebereichs der Lampe zu Krämpfen im Verdauungstrakt der Lämmer führen.


Tierarzt

Speziell für Anfängerinnen und Anfänger gilt: Zögern Sie nicht, den Tierarzt zu rufen! Gerade bei Lämmern bleibt oftmals sehr wenig Zeit, um auf Fehlentwicklungen wirkungsvoll reagieren können. Bei geschwächten Lämmern sind die Überlebenschancen nach der richtigen Injektion durch den Tierarzt meist deutlich verbessert.


Trächtigkeit

Während der Trächtigkeitsphase muss der Fütterung der Tiere besondere Beachtung geschenkt werden. In den letzten Wochen der Trächtigkeit nimmt ein Lamm rund 80 % seines Lebendgewichtes zu. Dies führt zu einen enormen Energiebedarf der Muttertiere, v.a. bei Mehrlingsgeburten. Erfolgt keine bedarfsgerechte Fütterung, droht eine Trächtigkeitstoxikose! Diese Stoffwechselkrankheit verläuft meist tödlich (Symptome: Bewegungsunlust, verminderte Futteraufnahme, fehlende Pansentätigkeit, Zähneknirschen, Festliegen).
Zu ihrer Gesunderhaltung sollten hochträchtige Tiere stets gutes Heu und Wasser zur freien Verfügung haben. Ebenso ist auf eine ausreichende Mineralstoffversorgung (insb. Magnesium) zu achten. Eine Zufütterung mit Kraftfutter - in vernünftigen Mengen - kann in dieser Zeit ebenfalls sinnvoll sein.


Weidehaltung

Hochtragende Ziegen und Neugeborene kann die Haltung im Freien Probleme bereiten. Werden sie draussen gehalten, sollten sie regelmässig kontrolliert werden (mindestens zweimal täglich). Im Winter müssen Ziegen vor der Geburt eingestallt werden und auch nach dem Ablammen in den ersten zwei Wochen mit ihrem Nachwuchs jederzeit Zugang zu einem Stall oder einem Unterstand haben.